Einladung zu dem Kongress smash it all_ smash sexism
Wir freuen uns darauf, alle die sich mit feministischer Praxis solidarisch zeigen und Lust auf theoretische Auseinandersetzung haben, zu unserem Kongress smash it all_ smash sexism begrüßen zu dürfen.
Während des Kongresses wollen wir uns mit unterschiedlichen Aspekten des Themenkomplexes Sexismus, insbesondere mit sexualisierter Gewalt, auseinandersetzen. Ziel soll es sein, Perspektiven für eine linksradikale Praxis zu entwickeln, um die Reproduktion von Sexismen und sexualisierter Gewalt unmöglich zu machen.
Wie bereits auf dem Infoflyer angekündigt, bietet der Kongress ein breites Programm, das sich vom Selbstverteidigungsworkshop über Theoriedebatten und Workshops hin zu einer abschließenden Podiumsdiskussion erstreckt. Also bringt sowohl eure Trainingsanzüge als auch Köpfchen mit!
Sexualisierte Gewalt als gesellschaftliches Phänomen
Der Kongress thematisiert sexualisierte Gewalt aus einer gesellschafts- und herrschaftskritischen Perspektive. Unter Gewalt fassen wir hier nicht ausschließlich den Angriff auf die physische Unversehrtheit einer Person, sondern auch subtile psychische und strukturelle Machtmechanismen, derer sich bedient wird, um Dominanz über Andere zu sichern oder herzustellen. Die heterosexistische Norm führt dazu, dass primär als Frauen gelesene Menschen, oder jene, die sich nicht innerhalb der binären Geschlechterkonstruktionen verorten, von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Ebenso können diskriminierende Sprache sowie unerwünschte Kommentare über Körper und deren Aussehen – also jegliche Handlungen mit geschlechtlichem Bezug ohne Einwilligung der betroffenen Person – zu seelischen Traumata mit zumeist psychosomatischen Folgen führen. Der Begriff der sexualisierten Gewalt soll verdeutlichen, dass es sich bei diesen Handlungen nicht primär um solche zur Befriedigung eines sexuellen Bedürfnisses handelt. Vielmehr wird eine sexuelle Komponente genutzt, um Macht über eine andere Person auszuüben.
Sexistische Artikulationen und Handlungen lassen sich als gewalttätige Momente einer gesellschaftstrukturierenden Heteronormativität begreifen, die im Zusammenhang mit dem komplexen, auf Asymmetrien und Ausschlüssen beruhenden Geschlechterverhältnis stehen. Hierbei ist es nötig, das gesamte Konstrukt von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität als gewaltförmigen Ausdruck alltäglicher Machtverhältnisse zu enttarnen.
„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“ Simone De Beauvoir
Wir alle werden mit dem Eintritt in diese Gesellschaft einer der zwei sich gegenseitig ausschließenden Geschlechterkategorien zugeordnet. Die Körper, die nicht genau in eines der beiden Schemata passen, werden operativ angeglichen und “passend gemacht”.[1] Jeden Tag aufs Neue reproduzieren wir unsere Rolle als “männlich” oder “weiblich” und hetzen einem Idealbild hinterher, das so nie zu erreichen ist. Geschlecht als soziale Kategorie ist ein sehr fragiles Konstrukt, das von den einzelnen Individuen immer wieder performativ hergestellt werden muss. Dies tun wir, um uns sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch innerhalb der sexuellen Ökonomie möglichst erfolgreich und somit gewinnbringend verkaufen zu können.
Vor diesem Hintergrund müssen Sexismen und sexualisierte Gewalt als ein Macht- und Herrschaftsverhältnis begriffen werden. Die Kategorien von Männlichkeit und Weiblichkeit stehen sich in der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur ausschließend gegenüber, sondern auch in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. Das Eine bedingt und ergänzt hierbei das Andere. Das als männlich Verstandene wird dabei als das Aktive, Produktive und Objektive konstruiert und in der öffentlichen Sphäre der Gesellschaft verortet, somit also zur Norm erklärt. Das als weiblich markierte “Andere” hingegen gilt als passiv, irrational und reproduktiv. So kann Männlichkeit nur im Zusammenhang mit Weiblichkeit gedacht werden.
Mit Fortschreiten des Kapitalismus manifestierte sich diese Unterscheidung maßgeblich in der Arbeitsteilung zwischen Produktions- bzw. Lohnarbeit und nicht bezahlter Reproduktionsarbeit (Hausarbeit), die den Frauen[2] zugeschrieben wurde. Auch wenn sich dies in den heutigen bürgerlichen Gesellschaften durchaus flexibilisiert hat und es auch Frauen möglich ist, Karriere zu machen, arbeiten zu gehen und frei zu entscheiden, ob sie Kinder bekommen wollen, schlägt sich dies noch immer in unterschiedlichen Löhnen und gängigen Stereotypisierungen nieder.
In diesem Kontext muss das Phänomen der sexualisierten Gewalt weniger als ein Teil von (Hetero-) Sexualität analysiert werden, sondern vor allem als Ausdruck männlicher Dominanz, durch die implizit wie explizit patriarchale Strukturen reproduziert und gefestigt werden. Dies zeigt sich in lokal unterschiedlichen Ausformungen, ist aber Ausdruck eines weltweiten Zustandes. Männlich dominierte Herrschaftsverhältnisse sind Teil der global wirkmächtigen Verwertungslogik, die sowohl räumlich als auch thematisch in verschieden starken Formen auftreten und sexualisierte Gewalt an unterschiedlichen Punkten (re-)produzieren.
Zum Wesen des Kongresses
In der historischen Genese von zweigeschlechtlichen heterosexistischen Verhältnissen lassen sich unterschiedliche Institutionen und Entwicklungen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als treibende Faktoren ausmachen. Aus diesem Grund möchten wir uns bei dem Kongress, nach einer Einführung in die Kritik von Heteronormativität und der Herleitung des aktuellen Zweigeschlechtermodells, beispielhaft den Institutionen Kirche und Ehe sowie dem Phänomen der häuslichen Gewalt widmen. Weiterhin sollen die juristischen Möglichkeiten von Betroffenen von diskriminierender Gewalt aufgezeigt und sich mit linksradikalen und feministischen Konzepten und Perspektiven zum Umgang mit sexualisierter Gewalt auseinandergesetzt werden. Diese und andere für den Kongress ausgewählten Themenstränge sollen kritisch die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse durchleuchten. Hierbei soll anhand der einzelnen Bereiche exemplarisch dargestellt werden, wie sich Sexismen und sexuelle Gewalt (re-)produzieren. Die Kritik ist einerseits eingebettet in eine Gesamtkritik an patriarchalen und kapitalistischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen und andererseits hilft sie besondere Zuspitzungen der Verhältnisse herauszuarbeiten.
Eine theoretische Arbeit ist Grundlage für die Entwicklung widerständiger Praxen gegenüber alten, verkrusteten, aber auch sich wandelnden, sich immer wieder anpassenden Herrschaftsverhältnissen.
Dies ermöglicht es, Perspektiven für neue Formen des Widerstands zu entwickeln und so eine Welt befreit von sexualisierter Gewalt zu denken.
[1] Mit der Zuschreibung einer Geschlechtsidentität wird vorausgesetzt, dass mensch ein Begehren nach dem als anders konstruierten Geschlecht entwickelt. Alle anderen Formen von Sexualität werden als abweichend von der Norm behandelt und zum Teil pathologisiert. Menschen, die sich nicht innerhalb dieser zweigeschlechtlichen Ordnung wiederfinden (wollen), werden somit nicht als selbstbestimmte Subjekte wahrgenommen und häufig Opfer von Anfeindungen bis zur körperlichen Gewalt und Mord.
[2] Wir verstehen die Kategorie Mann und Frau als gesellschaftliche, aber doch wirkmächtige Konstruktion. Zwar lehnen wir die Zuschreibung eines biologischen Geschlechtes ab, benutzen aber die Kategorien um real existierende Herrschaftsverhältnisse benennen zu können.